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Gib Laut! Haben wir Jäger bald ein Motivationsproblem?

Gib Laut! Haben wir Jäger bald ein Motivationsproblem?

Die Lage der Nation, oder besser der Motivation – aus jagdlicher Sicht jedenfalls. Die Jagdstrecken europaweit verhalten sich scheinbar synchron zu unseren Aktienmärkten und invers zu den Sprittpreisen und der Staatsverschuldung. Als wär’s momentan nicht schon schwer genug im Leben. Egal ob in Tschechien, Deutschland, im Tirol, in den Schweizer Revierkantonen oder im heimischen Graubünden….es harzt. Viele Gesellschaftsjagd-Strecken liegen deutlich unter dem Schnitt der letzten Jahre – nicht überall, und nicht bei allen Arten – aber auffallend oft. Zu oft, um es nicht anzusprechen und einfach drüber hinwegzusehen. Die Gründe dafür mögen so vielfältig sein wie die Meinungen der Jäger dahinter. Sei es die fehlende Mast der letzten Jahre, der trockene Sommer, der fehlende Schnee, die Fortschritte der Wärmebild- und Nachtsichttechnik, die ASP-Prävention, unsere grauen Freunde oder die waldnahe Politik. Als Berufsjäger bin ich überzeugt, nur wer die Begriffe wie „Hege“ und „Nachhaltigkeit“ in seinem Revier verinnerlicht hat, konnte diesen Herbst und wird auch in Zukunft noch gut Wild auf die Strecke bringen. Unabhängig von der Region und dem Land wird einem aber auch weiterhin nichts geschenkt.

Als Jäger ziehen wir in erster Linie los um Beute zu machen. Ganz nach dem Urtrieb, der seit Menschen Gedenken das Überleben unserer Art gesichert hat. Psychologen weisen heute sogar vermehrt darauf hin, wie bedeutsam das ur-menschliche Gen-erbe für ein erfülltes „da sein“ heute noch ist. Ein elementarer Baustein dieses Erbes ist der Jagdtrieb, ein Antrieb der uns Jäger als grosse Energiequelle dient. Diese Energie schärft die Sinne und steigert unsere Leistungsfähigkeit. Bestätigt und positiv verknüpft wird die „Auslebung“ dieses Triebes durch die Gewinnung eines hochwertigen Lebensmittels, unserem Wildfleisch, unserer Beute. Fällt letztere aus, oder fällt trotz grossem Aufwand nur noch spärlich aus, schwindet in unserer schnelllebigen Zeit vermutlich wiederum unser Jagdtrieb und mithergehend des Jägers Zufriedenheit. Dem gegenüber stehen an vielen Orten im Zeichen des Waldumbaus und der Schutzwaldsanierung ehrgeizige Ziele zur Dezimierung der Wildbestände. Graubünden hat sich mit der Strategie „Lebensraum Wald-Wild 2021“ ein hochgestecktes Ziel als offizieller Regierungsauftrag auf die Jagdfahne geschrieben. Zur Lösung der Konflikte wurden zehn Ziele und 40 Massnahmen definiert. In Fünfjahresschritten soll sich im Zeithorizont bis 2035 der Waldzustand etappenweise ändern und die natürliche Waldverjüngung sich stark verbessern.

Egal ob in der Revier- oder Patentjagd, wer sich zukünftig über Jahrzehnte beim Schalenwild so anspruchsvolle Bewirtschaftungsziele setzt, wird nicht darum herum kommen, die Jagd für den Jäger und die Jägerin sehr attraktiv zu gestalten. Durch die in den letzten Jahren historisch hohen Schalenwildbeständen in der Ostschweiz war dies bis anhin nicht zwingend notwendig. Sondern diese „Attraktivität“ war durch die hohe Wilddichte Gewohnheit und somit eher eine „Normalität“ für den Jäger.

Unser Wild wird durch den in massiv erhöhten jagdlichen Druck und das vermehrte Aufkommen von grösseren Prädatoren Jahr für Jahr dazulernen, sein Verhalten anpassen und noch heimlicher, schwieriger und inkonstanter zu bejagen sein. Der Aufwand für den Jäger wird, je näher wir den forstlichen Zielen kommen, immer extremer und grösser werden. Die Aussicht auf Beute hingegen doch eindeutig seltener und kleiner, schwindet vermehrt dahin je erfolgreicher wir jagen und dezimieren. Eine Krux.

Nicht das Was und Wieviel, sondern das Wie und Wo wird in Zukunft über den jagdlichen Feingehalt entscheiden. So paradox es sich anhört, wir werden offen sein müssen für neue Ideen, Technologien und Ideologien. Uns verabschieden von alten Zöpfen, zu seiner Zeit Bewährtem und wohl auch von geliebten Traditionen, nur so können wir vermutlich das innere Feuer des Waidmanns, den Antrieb eines jeden Jägers, unseren Urinstinkt waren und leben.

Gianni Parpan, Berufsjäger

prowaidwerk.ch